Veränderte Vorzeichen: Associates blicken skeptischer in die Zukunft
Mehr Zeit für Freunde und Familie war in den vergangenen Jahren stets der wichtigste Grund für Associates, über einen Arbeitgeberwechsel nachzudenken. Das könnte mit der aktuellen Krise anders werden.
Der erste Corona-Schock ist vorbei, die Umstellung auf Homeoffice bewältigt, die Auslastung im Gesamtmarkt nicht so weit weg von der Normalität wie befürchtet. Und doch bleibt ein latentes Unbehagen. Laut JUVE-Umfrage zur Corona- Krise im Mai machen sich über 60 Prozent der befragten Anwälte mindestens „ein wenig“ Sorgen um die Zukunft ihrer Kanzlei. Um die eigene berufliche Zukunft besorgt sind sogar rund 70 Prozent. Zugleich sind angestellte Anwälte zwar mehrheitlich vom Krisenmanagement ihrer Kanzleien überzeugt, allerdings deutlich weniger als die Partner.
Ob diese Skepsis dazu führt, dass sich bald mehr Associates und Counsel nach Alternativen umsehen, lässt sich noch nicht abschätzen. Worauf sie dabei achten würden, ist allerdings recht gut erforscht. Aus den azur-Associate-Umfragen, die die JUVE-Redaktion in den vergangenen Jahren regelmäßig bei mehreren Tausend angestellten Anwälten durchgeführt hat, gehen klare Präferenzen hervor: Alljährlich erklärten rund die Hälfte der Teilnehmer aus Kanzleien, wenn sie den Arbeitgeber wechseln würden, dann für mehr Freizeit oder eine bessere Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Gehalt und Aufstiegschancen fanden weniger Associates zentral. Andere Gründe wie Betriebsklima, inhaltlicher Anspruch oder unternehmerische Freiheit waren nur für die wenigsten Teilnehmer relevant.
Karriere machen wird erst später wichtig
Männer und Frauen setzten dabei unterschiedliche Prioritäten. Männliche Associates, das zeigten die Umfragen der vergangenen Jahre durchweg, würden häufiger für ein höheres Gehalt den Arbeitgeber wechseln als ihre Kolleginnen, und erst recht für den beruflichen Aufstieg. Frauen legten dafür wesentlich mehr Wert auf die Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Mit zunehmender Berufserfahrung veränderte sich die Motivation spürbar. Je länger die Umfrageteilnehmer schon im Beruf standen, desto wichtiger war ihnen die Chance auf den nächsten Karriereschritt. Fast spiegelbildlich sank mit den Berufsjahren die Zahl derer, die für mehr Freizeit wechseln würden. Die Relevanz von Gehalt und Vereinbarkeit von Karriere und Familie dagegen blieb weitgehend unabhängig vom Dienstalter.
Wer bereits auf dem Absprung war und sich innerhalb von zwölf Monaten einen neuen Job suchen wollte, gab deutlich öfter als die übrigen Teilnehmer zwei Gründe an, die für die anderen nur eine Nebenrolle spielten: besseres Betriebsklima und anspruchsvollere Arbeit. Unzufriedenheit mit ‚weichen‘ Aspekten des Arbeitsalltags spielt für Associates also eine bedeutende Rolle bei der konkreten Entscheidung für einen Wechsel.
Nur eine untergeordnete Bedeutung kam dagegen stets einem Punkt zu, der nun angesichts der aktuellen Situation wichtiger werden könnte: Eine sicherere Stelle wäre in den vergangenen Jahren nie für mehr als fünf Prozent der befragten Associates Anlass für einen Arbeitgeberwechsel gewesen – ganz gleich, in welcher Teilnehmergruppe. Ob die Corona-Krise daran etwas ändert, wird die aktuelle Associate-Umfrage zeigen, die derzeit noch läuft. (Norbert Parzinger)